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Was bedeu­tet die EU-Phar­ma-Stra­te­gie für Generika?

Zugang zu Arz­nei­mit­teln für alle Euro­pä­er! Das ist das Ziel der Phar­ma­stra­te­gie, die die EU-Kom­mis­si­on Ende Novem­ber vor­ge­legt hat. Ein Papier, das die Akteu­re der Arz­nei­mit­tel­ver­sor­gung mit Span­nung erwar­tet haben. Schließ­lich steckt es den Rah­men für die gesam­te euro­päi­sche Arz­nei­mit­tel­ge­setz­ge­bung fest – und zwar auf meh­re­re Jahre.

Was aber bedeu­tet die Phar­ma­stra­te­gie für die Ver­sor­gung von Euro­pas Pati­en­ten mit Generika? 

Der Auf­schlag der Kom­mis­si­on ist umfas­send und ent­hält vie­le wich­ti­ge und rich­ti­ge Ansät­ze. Auch wenn wir hier von kon­kre­ten Geset­zes­vor­schlä­gen noch weit ent­fernt sind: Hier hat ein Pro­zess begon­nen, der auf ver­schie­de­nen Ebe­nen Wel­len schla­gen wird.

Mit Blick auf die Gene­ri­ka-Ver­sor­gung geht es vor allem darum:

  • Mehr Trans­pa­renz:

Um das Pro­blem der Lie­fer­eng­päs­se in den Griff zu bekom­men, soll die Trans­pa­renz glo­ba­ler Lie­fer­ket­ten gestärkt wer­den. Es sol­len Schwach­stel­len iden­ti­fi­ziert und der Pro­duk­ti­ons­stand­ort Euro­pa soll gestärkt wer­den. Dabei soll es nicht zu Beein­träch­ti­gun­gen des glo­ba­len Han­dels kommen.

  • Mehr Diver­si­fi­zie­rung von Lieferketten

Mit den Erfah­run­gen aus der Coro­na-Pan­de­mie im Hin­ter­kopf spricht sich die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on für eine stär­ke­re Diver­si­fi­zie­rung von Pro­duk­ti­ons- und Lie­fer­ket­ten aus. Auch eine stär­ke­re Bevor­ra­tung hält sie in Zei­ten grö­ße­rer Gesund­heits­kri­sen für sinnvoll.

  • Mehr Markt­zu­gang für Gene­ri­ka und Biosimilars

Damit mehr Gene­ri­ka und Bio­si­mi­lars in den Markt kom­men kön­nen, will die Kom­mis­si­on Hür­den aus dem Weg räu­men, die deren Markt­zu­gang der­zeit noch ein­schrän­ken. Auch will die Kom­mis­si­on – und nur so rückt das das Ziel „Zugang für alle“ auch in greif­ba­re Nähe – stär­ker auf den Ein­satz von Gene­ri­ka und Bio­si­mi­lars hinarbeiten.

  • Mehr Anrei­ze für Pro­duk­ti­on in Europa

Um die kom­ple­xen und glo­ba­len Lie­fer­ket­ten bes­ser ver­ste­hen zu kön­nen, will die Kom­mis­si­on in den Dia­log mit Indus­trie und Behör­den tre­ten. Im Anschluss an die­se Gesprä­che will sie dann ent­schei­den, wie etwa Inves­ti­ti­ons­hil­fen der EU zu einer stär­ke­ren Unab­hän­gig­keit von Dritt­län­dern füh­ren können.

  • Mehr­fach­ver­ga­be und smar­te­re Ausschreibungskonzepte

Weil sie das Pro­blem der Eng­päs­se bei Medi­ka­men­ten, das in sämt­li­chen Län­dern Euro­pas herrscht, ein­däm­men möch­te, benennt die „phar­maceu­ti­cal stra­tegy“ aus­drück­lich die Aus­schrei­bun­gen, die die Kran­ken­kas­se mit den Her­stel­lern abschlie­ßen, als Pro­blem. Kon­kret sei­en die „Winner-takes-all“-Ausschreibungen zu über­prü­fen, die gera­de in Deutsch­land als soge­nann­te Ein­fach­ver­ga­ben (Rabatt­ver­trä­ge im Exklu­siv­mo­dell) nach wie vor einen gro­ßen Anteil ein­neh­men. Aus­schrei­bungs­kon­zep­te soll­ten – so will es die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on – zudem smar­ter und inno­va­ti­ver sein und z. B. auch eine umwelt­freund­li­che­re Pro­duk­ti­on umfassen.

  • Weni­ger Kostendruck

Wich­tig ist in dem Zusam­men­hang, dass die Kom­mis­si­on klar und deut­lich die Mit­glieds­staa­ten, die Kli­ni­ken und die Kran­ken­kas­sen in die Pflicht nimmt, wenn sie den Kos­ten­druck als eine Ursa­che von Eng­päs­sen benennt.

  • Mehr Befug­nis­se für die Euro­päi­sche Arzneimittelbehörde

Ähn­lich wie Deutsch­land es mit dem BfArM bereits vor eini­gen Jah­ren getan hat, soll nun auch die Euro­päi­sche Zulas­sungs­be­hör­de (EMA) beim Umgang mit Arz­nei­mit­tel­eng­päs­sen gestärkt werden.

  • Absen­kung der regu­la­to­ri­schen Kosten

Um Hür­den für Gene­rik­aun­ter­neh­men abzu­bau­en, berührt die Kom­mis­si­on auch das The­ma Regu­la­to­rik. Wich­tig und rich­tig ist, dass sie hier offen­bar die regu­la­to­ri­schen Kos­ten sen­ken will. Zum Hin­ter­grund: Regu­la­to­ri­sche Kos­ten machen heu­te bereits einen spür­ba­ren Kos­ten­teil für Gene­rik­aun­ter­neh­men aus. Mehr Ver­ein­fa­chung und mehr Effi­zi­enz bedeu­tet es auch, dass die Kom­mis­si­on elek­tro­ni­sche Packungs­bei­la­gen ermög­li­chen will. Die­se bräch­ten vie­le Vor­tei­le mit sich, weil sie Inhal­te in meh­re­ren Spra­chen ent­hal­ten und auch ein­fa­cher aktua­li­siert wer­den können.

  • Pro­blem: gemein­sa­me Aus­schrei­bun­gen der Mitgliedsstaaten

Kri­tisch ist aus Sicht der Gene­ri­ka-Fir­men zu bewer­ten, dass die Kom­mis­si­on sich in ihrer „phar­maceu­ti­cal stra­tegy“ für gemein­sa­me Aus­schrei­bun­gen von Mit­glieds­staa­ten aus­spricht. Das ist gefähr­lich, denn die Erfah­rung mit Arz­nei­mit­tel-Aus­schrei­bun­gen zeigt: Je grö­ßer die Markt­macht des­je­ni­gen, der aus­schreibt, um so gewal­ti­ger wird der Kos­ten­druck auf die bie­ten­den Unter­neh­men. Immer­hin: Die Kom­mis­si­on regt eine Art Exklu­si­vi­täts­klau­sel an. Dem­nach müss­ten Mit­glieds­staa­ten ent­schei­den, ob sie natio­nal oder gemein­sam mit ande­ren Län­dern aus­schrei­ben. Gera­de hier gab es in der EU wäh­rend der ers­ten Wel­le der Coro­na-Pan­de­mie viel zu wenig Klar­heit und kei­ne län­der­über­grei­fen­de Koordinierung.

Jetzt müs­sen die Staa­ten die Chan­ce auch nutzen!

Die „phar­maceu­ti­cal stra­tegy“ der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on macht Hoff­nung auf mehr Ver­sor­gungs­si­cher­heit bei Gene­ri­ka – also bei den Arz­nei­mit­teln, die die Grund­ver­sor­gung sichern.  Ent­schei­dend wird aber jetzt sein, was aus den Ideen in den kom­men­den Jah­ren wird. Die Chan­ce ist da — auf eine Stär­kung des Gene­ri­ka- und Bio­si­mi­lar­wett­be­werbs und auf smar­te­re Aus­schrei­bungs­kon­zep­te, die nicht die Ver­sor­gungs­si­cher­heit dem güns­tigs­ten Preis opfern. Jetzt müs­sen wir sie auf der natio­na­len Ebe­ne auch nut­zen –  damit vor allem die­je­ni­gen pro­fi­tie­ren, in deren Sin­ne die EU-Kom­mis­si­on ihre Stra­te­gie ver­fasst hat: die euro­päi­schen Patienten.

Die Phar­ma-Sta­te­gie im Original

Die Phar­ma-Stra­te­gie – deut­sche Fassung

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