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“Viel Büro­kra­tie — aber wenig Unter­stüt­zung von der Politik”

Wie die Bun­des­re­gie­rung den Phar­ma­st­and­ort Deutsch­land stär­ken will — und die Gene­ri­ka-Indus­trie dabei zu ver­ges­sen droht

Mehr Gene­ri­ka-Pro­duk­ti­on in Euro­pa: Das ist erklär­tes Ziel der Gesund­heits­po­li­tik. Grit Mül­ler ist Che­fin des größ­ten Gene­ri­ka-Wer­kes in Deutsch­land. Ein Gespräch über tech­no­lo­gi­schen Vor­sprung, die asia­ti­sche Kon­kur­renz und dar­über, wie unse­re Nach­bar­län­der Pro­duk­ti­ons­stät­ten pushen – wäh­rend Deutsch­land bei der Ret­tung der Grund­ver­sor­gung zu schla­fen scheint.

Dar­um geht’s!

Der­zeit kann sich ein deut­sches Gene­ri­ka-Werk wie die Salu­tas Phar­ma in Bar­le­ben noch gegen die asia­ti­sche Kon­kur­renz behaup­ten. Was fehlt, ist die Rücken­de­ckung der Politik.

Deut­sche Gene­ri­ka-Wer­ke äch­zen unter regu­la­to­ri­schen Auf­la­gen und Büro­kra­tie. Dabei müs­sen sie in einem Wett­be­werb bestehen, in dem es ein­zig um den güns­tigs­ten Preis geht. 

Euro­päi­sche Län­der wie Öster­reich oder Slo­we­ni­en schaf­fen des­halb Anrei­ze für mehr hei­mi­sche Pro­duk­ti­on — Deutsch­land bis­lang nicht.

Die Abhän­gig­keit von Asi­en ist ein gro­ßes The­ma. Wie kann sich ein deut­sches Werk wie das Ihri­ge im preis­ge­trie­be­nen Gene­ri­ka-Wett­be­werb behaupten?

Grit Mül­ler: Wir sind stark in der Tech­no­lo­gi­sie­rung. Gegen­über vie­len aus­län­di­schen Wer­ken haben wir 15 Jah­re Vor­sprung, was das Effi­zi­enz- und Auto­ma­ti­sie­rungs-Know-how angeht. San­doz hat bereits vor Jah­ren visio­när in High­tech inves­tiert und davon zeh­ren wir bis heu­te. Wir kön­nen hier enor­me Men­gen pro­du­zie­ren. Das macht uns kon­kur­renz­fä­hig. Hier müs­sen wir wei­ter wett­be­werbs­fä­hig blei­ben, um unse­re Füh­rung zu behaupten.

Wor­an mer­ken Sie das?

Grit Mül­ler: An den Auf­trags­bü­chern. Beim Blut­druck­sen­ker „Meto­pro­lol Suc­ci­nat“ war Bar­le­ben immer Vor­rei­ter. Kei­ner konn­te es so effi­zi­ent pro­du­zie­ren wie wir. Bis ein indi­sches Unter­neh­men eine bil­li­ge­re Ver­si­on in der Kran­ken­kas­sen­aus­schrei­bung ange­bo­ten hat. Kran­ken­kas­sen geben bei Ihren Aus­schrei­bun­gen kei­nen Bonus für eine Pro­duk­ti­on in Sach­sen-Anhalt, sie geben dem bil­ligs­ten Anbie­ter den Zuschlag.

Zur Per­son

Grit Müller, Chefin der Firma Salutas (Sandoz) in Barleben.
© www.AndreasLander.de

Grit Mül­ler arbei­tet seit 2006 bei Salu­tas am Stand­ort Bar­le­ben. Die Betriebs­wir­tin und Lin­gu­is­tin begann als Trai­nee und woll­te zunächst nur einen Som­mer lang blei­ben. Sie blieb bis heu­te – und ist seit zwei­ein­halb Jah­ren Geschäftsführerin.

Mit wel­cher Stra­te­gie steu­ern Sie gegen?

Grit Mül­ler: Wir set­zen auf höhe­re Markt­an­tei­le. Etwa beim Brust­krebs­mit­tel Tam­oxi­fen: Hier wäre es im Jahr 2023 bei­na­he zu einem erneu­ten Ver­sor­gungs­eng­pass wie 2022 gekom­men. Da frü­he­re Wett­be­wer­ber aus Kos­ten­grün­den aus dem Markt aus­ge­stie­gen sind — die Poli­tik hat ja kei­ne Preis­er­hö­hung ermög­licht — muss­ten wir eine unter­neh­me­risch schwie­ri­ge Ent­schei­dung tref­fen. Uns war klar: Für den Preis von 8,80 Euro pro Drei­mo­nats­pa­ckung kön­nen wir nur pro­du­zie­ren, wenn wir hoch­ska­lie­ren. Wir haben also unse­re Pro­duk­ti­on aus­ge­baut und kön­nen zumin­dest mit­tel­fris­tig die Grund­ver­sor­gung für Deutsch­land mit Tam­oxi­fen absi­chern – auch wenn der Preis für die­ses lebens­ret­ten­de Medi­ka­ment natür­lich viel zu nied­rig ist.

Aber so ent­ste­hen Monopole!

Grit Mül­ler: Völ­lig rich­tig. Wir haben bei Tam­oxi­fen heu­te einen Markt­an­teil von über 70 Pro­zent – ver­sor­gen die Patient:innen also größ­ten­teils allein. Das ist ein Mono­pol wider Wil­len. Wir fän­den es gut, wenn die Ver­sor­gung auf meh­re­ren Schul­tern lie­gen wür­de, denn es gibt aktu­ell wohl kaum ein wei­te­res Unter­neh­men in Deutsch­land, wel­ches im Fal­le eines Pro­duk­ti­ons­eng­pas­ses ein­sprin­gen könnte.

Die Tam­oxi­fen-Pro­duk­ti­on in Barleben

Fotos: © www.AndreasLander.de

Eine gefähr­li­che Ent­wick­lung. Wann haben Sie begon­nen, auf maxi­ma­le Effi­zi­enz zu setzen?

Grit Mül­ler: Das kam mit der Ein­füh­rung der Rabatt­ver­trä­ge, die wir hier in Bar­le­ben 2011 oder 2012 zu spü­ren beka­men. Damals änder­te sich die Grund-Prä­mis­se der Gene­ri­ka-Ver­sor­gung. Die­se hieß nicht län­ger „Ver­sor­gungs­si­cher­heit“, son­dern fort­an „Bil­lig­preis“. Wenn ein Pro­dukt „Haupt­sa­che bil­lig“ sein soll, muss man es anders her­stel­len, als wenn es „Haupt­sa­che ver­füg­bar“ sein soll. Die Kon­se­quenz ist, dass wir eini­ge unse­rer Wirk­stof­fe aus Kos­ten­grün­den zwi­schen­zeit­lich in Asi­en kau­fen müs­sen und sich auch dort mono­po­lis­ti­sche Struk­tu­ren gebil­det haben. Das führt dazu, dass wir im Fal­le des Fal­les nicht agil sein kön­nen und Eng­päs­se der Zulie­fe­rer direkt auf die Ver­sor­gung durchschlagen.

Aus diesen Schritten setzt sich die Produktion von Metropololsuccinat zusammen.
Foto: © www.AndreasLander.de

Die Pro­duk­ti­ons­schrit­te des eins­ti­gen Block­bus­ters: Für den den Blut­druck­sen­ker “Meto­pro­lol Suc­ci­nat” ist Bar­le­ben nicht mehr Vorreiter.

Die Poli­tik wirk­te bei den jüngs­ten Eng­päs­sen sehr wach. Erhal­ten Sie die Rücken­de­ckung, die Sie brauchen?

Grit Mül­ler: Lei­der nein. Die Hin­der­nis­se sind rie­sig. Es ist ermü­dend, wie lan­ge wir auf Geneh­mi­gun­gen war­ten und wie­viel Zeit und Geld die Büro­kra­tie frisst. Die Poli­tik muss end­lich ein­se­hen, dass wir sys­tem­re­le­vant sind. Ich mei­ne: Jede fünf­te gene­ri­sche Arz­nei­mit­tel­pa­ckung in Deutsch­land kommt aus Bar­le­ben. Jeder 10. Pati­ent in Deutsch­land wird aus unse­rer Pro­duk­ti­on ver­sorgt. Da kann es doch nicht sein, dass ich einem Bun­des­mi­nis­ter zu Beginn der Ener­gie-Kri­se erst ein­mal erklä­ren muss, war­um unse­re Pro­duk­ti­on am Lau­fen blei­ben muss.

Aber der Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter will mit dem Lie­fer­eng­pass-Gesetz ALBVGG gera­de Wer­ke wie das Ihri­ge stär­ken. Es wird also besser?

Grit Mül­ler: Bis­lang bedeu­tet das ALBVVG für uns nur eins: Schmer­zen! Die Rabatt­ver­trä­ge lau­fen wei­ter, die Prei­se sind also wei­ter­hin nied­rig. Gleich­zei­tig muss ich auf eige­ne Kos­ten die Pro­duk­ti­on erhö­hen. Um jetzt eine Aus­schrei­bung gewin­nen zu kön­nen, muss ich einen Vor­rat von sechs Mona­ten ange­legt haben. Das führt dazu, dass ich ein Arz­nei­mit­tel schon pro­du­zie­re, bevor ich über­haupt weiß, ob ich die Aus­schrei­bung gewin­ne. Ver­lie­re ich die Aus­schrei­bung, muss ich es irgend­wie wei­ter­ver­kau­fen oder für viel Geld ent­sor­gen. Mal ganz abge­se­hen davon, dass mei­ne Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten ohne­hin eng sind (des­we­gen gibt es ja Eng­päs­se!) und ich gar nicht weiß, wo ich die immensen Vor­rä­te lagern soll. Kurz­um: Das ALBVVG hat die Situa­ti­on für uns ver­schärft, nicht erleichtert.

Der­zeit wird viel über die Rück­ho­lung der Gene­ri­ka-Pro­duk­ti­on nach Euro­pa gespro­chen. Ein rea­lis­ti­sches Ziel?

Grit Mül­ler: Eine Inves­ti­ti­on in euro­päi­sche Wer­ke kann nur sinn­voll sein, wenn es auch ver­nünf­ti­ge Anrei­ze gibt. Dazu mal fol­gen­de Geschich­te: Der San­doz-Kon­zern inves­tiert in den Bau eines Bio­si­mi­lar-Wer­kes. Wir hät­ten das hier in Bar­le­ben gern und gut gemacht. Platz genug haben wir hier. Den Zuschlag hat aber Slo­we­ni­en bekommen.

War­um?

Grit Mül­ler: Deutsch­land steht in einem star­ken Wett­be­werb mit ande­ren attrak­ti­ven Volks­wirt­schaf­ten und Slo­we­ni­en bie­tet mit sei­ner sehr gut aus­ge­bil­de­ten Bevöl­ke­rung inter­es­san­te Markt- und Inves­ti­ti­ons­be­din­gun­gen. Zudem ist San­doz bereits seit vie­len Jah­re in Slo­we­ni­en aktiv und wird als Unter­neh­men hoch ange­se­hen. Dar­über hin­aus ist die Zusam­men­ar­beit mit der slo­we­ni­schen Poli­tik und den Behör­den oft unbü­ro­kra­ti­scher, Ent­schei­dun­gen wer­den viel schnel­ler getrof­fen. Wäh­rend wir hier in Deutsch­land einen „Let­ter of Intent“ des Minis­ter­prä­si­den­ten beka­men, hat sich der slo­we­ni­sche Pre­mier­mi­nis­ter per­sön­lich für den Bau des Bio­si­mi­lar-Wer­kes eingesetzt.

Seit knapp 30 Jah­ren am Stand­ort Barleben 

Die Salu­tas Phar­ma GmbH in Bar­le­ben (Sach­sen-Anhalt) zählt zu den moderns­ten, leis­tungs­fä­higs­ten Phar­ma­pro­duk­ti­ons- und Logis­tik­zen­tren Euro­pas. Von rund 1.400 Mit­ar­bei­tern wer­den jähr­lich mehr als 11 Mil­li­ar­den Tablet­ten pro­du­ziert – dar­un­ter Wirk­stof­fe gegen Krebs, Dia­be­tes und Bluthochdruck.

Mehr als die Hälf­te der in Bar­le­ben her­ge­stell­ten Medi­ka­men­te kommt auf den deut­schen Markt. Das Ergeb­nis zeigt sich in den Apo­the­ken und im hei­mi­schen Tablet­ten­schrank: Jede zehn­te Packung aus dem Apo­the­ken­re­gal wur­de in Bar­le­ben pro­du­ziert, jede fünf­te wur­de hier umgeschlagen.

Der Vor­teil einer hei­mi­schen Pro­duk­ti­ons­stät­te zeig­te sich im Jahr 2022. Damals droh­te das alter­na­tiv­lo­se Brust­krebs­mit­tel Tam­oxi­fen knapp zu wer­den. Als ein­zi­ger Her­stel­ler konn­te San­doz eine Son­der­pro­duk­ti­on ein­schie­ben – es war das Team in Bar­le­ben, das den Eng­pass abwen­de­te und die Ver­sor­gung der Patient:innen sicherte.

Der Bun­des­kanz­ler macht sich der­zeit für den Phar­ma­st­and­ort Deutsch­land stark. Was müss­te er tun, um Bar­le­ben zu sichern?

Grit Mül­ler: Er muss die Mono­po­li­sie­rung auf­wei­chen. Es ist zu gefähr­lich, wenn die Ver­sor­gung von einem Unter­neh­men abhängt. Und die Bun­des­re­gie­rung muss die Aus­schrei­bungs­kri­te­ri­en über­ar­bei­ten. Der Preis darf nicht das ein­zi­ge Zuschlags­kri­te­ri­um sein, euro­päi­sche und diver­si­fi­zier­te Pro­duk­ti­on muss sich loh­nen. Ansons­ten kön­nen wir irgend­wann nicht mehr für den deut­schen Markt produzieren.

Was ist der Denk­feh­ler der Politik?

Grit Mül­ler: Die Poli­tik stärkt ver­meint­lich den „Phar­ma­st­and­ort“, aber sie tut dabei nichts für die Grund­ver­sor­gung. Sie dif­fe­ren­ziert nicht zwi­schen den for­schen­den Arz­nei­mit­tel­her­stel­lern und den Gene­ri­ka-Pro­du­zen­ten. Phar­ma ist eben nicht gleich Phar­ma. Gene­rik­aun­ter­neh­men stem­men 80 Pro­zent der Ver­sor­gung mit Arz­nei­mit­teln in Deutsch­land, und das für im Schnitt 6 Cent pro Tages­do­sis. Gehen sie mal in einen Super­markt und suchen sie ein Pro­dukt, das 6 Cent kos­tet und den gan­zen Tag vor­hält. Ich sage: Sie wer­den kei­nes fin­den. Der Poli­tik muss end­lich klar sein: Mil­li­ar­den-Inves­ti­tio­nen von for­schen­den Phar­ma­un­ter­neh­men sind toll für den Stand­ort, aber sie wer­den die essen­zi­el­le Ver­sor­gung von Krebs‑, Schmerz oder Herz-Kreislauf-Patient:innen nicht gewährleisten.

Wir dan­ken für das Gespräch!

Presse

Trotz Dau­er-Eng­päs­sen: Kran­ken­kas­sen wol­len Prei­se für Anti­bio­ti­kum senken

  • Der Spit­zen­ver­band der Kran­ken­kas­sen (GKV-SV) schlägt vor, die Erstat­tungs­prei­se (Fest­be­trä­ge) für eini­ge ver­sor­gungs­kri­ti­sche Wirk­stof­fe zu senken.
  • Das kon­ter­ka­riert das Ziel, die Ver­sor­gung mit Anti­bio­ti­ka zu stabilisieren.
  • Ver­sor­gungs­eng­päs­se schei­nen vor­pro­gram­miert, die Poli­tik muss eingreifen.

Betrof­fen ist u.a. das Anti­bio­ti­kum Amoxicillin/Clavulansäure, das gegen Bla­sen- oder Mit­tel­ohr­ent­zün­dung zum Ein­satz kommt. Beson­ders absurd: Die­ser Wirk­stoff samt the­ra­peu­ti­sche Alter­na­ti­ven sind von Eng­päs­sen betroffen.

Grund für die Lie­fer­eng­päs­se: Immer mehr Her­stel­ler zie­hen sich aus der Anti­bio­ti­ka-Pro­duk­ti­on zurück, weil sie zum Ver­lust­ge­schäft wird. „Jetzt wird es noch schwe­rer, die­ses wich­ti­ge Mit­tel ren­ta­bel zu pro­du­zie­ren“, sagt Bork Brett­hau­er, Geschäfts­füh­rer von Pro Gene­ri­ka: „Die Fest­be­trags­ab­sen­kung erhöht die Gefahr, dass wei­te­re Her­stel­ler aus der Pro­duk­ti­on aus­stei­gen müssen.“

Die Maß­nah­me zei­ge, so Brett­hau­er, dass der GKV-SV – anders als die Poli­tik – das Pro­blem hin­ter den Eng­päs­sen immer noch nicht ver­stan­den habe. „Der extre­me Kos­ten­druck geht zulas­ten der Ver­sor­gung. Da kann man doch Prei­se nicht noch wei­ter absen­ken!“ Das „Arz­nei­mit­tel-Lie­fer­eng­pass­be­kämp­fungs- und Ver­sor­gungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz“ (ALBVVG) gehe zwar nicht weit genug, aber es zeu­ge von der Ein­sicht, dass nur mehr Her­stel­ler mit diver­si­fi­zier­ten Lie­fer­ket­ten die Ver­sor­gung sta­bi­li­sie­ren könn­ten. Die­se Erkennt­nis wer­de nun konterkariert.

„Wenn der GKV-SV die beab­sich­tig­ten Ver­bes­se­run­gen durch tech­no­kra­ti­sches Fest­hal­ten am Haupt­sa­che-Bil­lig-Prin­zip wie­der zunich­te­ma­chen will, tut poli­ti­sches Ein­schrei­ten not“, so Brett­hau­er: „Das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um muss von sei­ner Rechts­auf­sicht Gebrauch machen und die Absen­kung verhindern.“

Hin­ter­grund: Amoxi­cil­lin wirkt in Kom­bi­na­ti­on mit Cla­vulan­säu­re gegen eine Rei­he bak­te­ri­el­ler Infek­tio­nen. Rech­ne­risch erhal­ten Her­stel­ler für eine 10er Packung der­zeit 16,17 Euro. Die­ser Fest­be­trag soll nach dem Wil­len des GKV-SV nun auf 12,38 Euro abge­senkt werden. 

Gera­de Anti­bio­ti­ka sind der­zeit oft Man­gel­wa­re. In unse­rem Anti­bio­ti­ka-Spe­cial „War­um sind unse­re Anti­bio­ti­ka knapp?“ erfah­ren Sie alle Hintergründe.

12.12.2023

News

Von Anti­bio­ti­kum bis Schleim­lö­ser: Die­se 10 Wirk­stoffe brin­gen uns durch den Winter

Ob gegen Fie­ber, Hus­ten oder Glie­der­schmer­zen – in den Win­ter­mo­na­ten sind eini­ge Medi­ka­men­te schwer gefragt. Doch wel­che Wirk­stof­fe sind es, die uns gera­de dabei hel­fen, auf den Bei­nen zu bleiben?

Wir haben nach­ge­schaut, was im ver­gan­ge­nen Win­ter zwi­schen Okto­ber und Janu­ar beson­ders häu­fig in Deutsch­land ver­kauft wur­de und wie­viel davon Gene­ri­ka waren. Ihr Anteil betrug 92 Prozent.

Xylo­me­ta­zo­lin

Typ: Nasen­spray

Ein­satz: zum Abschwel­len der Nasenschleimhaut

Ver­schrei­bungs­pflich­tig: nein

Ver­kauf­te Gene­ri­ka-Packun­gen: 22,3 Millionen

Par­acet­amol

Typ: fie­ber­sen­ken­des Schmerzmittel

Ein­satz: bei Schmer­zen und Fie­ber, bei­spiels­wei­se bei grip­pa­len Infekten

Ver­schrei­bungs­pflich­tig: nein

Ver­kauf­te Gene­ri­ka-Packun­gen: 11,6 Millionen

Ace­tyl­cystein

Typ: Schleimlöser

Ein­satz: zum bes­se­ren Abhus­ten, zum Bei­spiel bei Bronchitis

Ver­schrei­bungs­pflich­tig: nein

Ver­kauf­te Gene­ri­ka-Packun­gen: 4,3 Millionen

Amoxi­cil­lin

Typ: Antibiotikum

Ein­satz: u.a. bei bak­te­ri­el­len Infek­tio­nen der Atemwege

Ver­schrei­bungs­pflich­tig: ja

Ver­kauf­te Gene­ri­ka-Packun­gen: 2,9 Millionen

Azi­thro­my­cin

Typ: Antibiotikum

Ein­satz: u.a. bei bak­te­ri­el­len Infek­tio­nen der unte­ren und obe­ren Atemwege

Ver­schrei­bungs­pflich­tig: ja

Ver­kauf­te Gene­ri­ka-Packun­gen: 1,3 Millionen

92
So hoch war der Anteil der Gene­ri­ka an der Gesamt­zahl der Packun­gen bei die­sen zehn Medikamenten.
Cefu­ro­xim

Typ: Antibiotikum

Ein­satz: u.a. bei bak­te­ri­el­len Infek­tio­nen der Atemwege

Ver­schrei­bungs­pflich­tig: ja

Ver­kauf­te Gene­ri­ka-Packun­gen: 1,3 Millionen

Cefa­clor

Typ: Antibiotikum

Ein­satz: u.a. bei bak­te­ri­el­len Infek­tio­nen der Atemwege

Ver­schrei­bungs­pflich­tig: ja

Ver­kauf­te Gene­ri­ka-Packun­gen: 514.000

Code­in

Typ: Hustenblocker

Ein­satz: lin­dert den Hustenreiz

Ver­schrei­bungs­pflich­tig: ja

Ver­kauf­te Gene­ri­ka-Packun­gen: 363.000

Sal­bu­t­amol

Typ: Spray gegen Atemnot

Ein­satz: ent­spannt die Atem­we­ge, wird auch bei Asth­ma eingesetzt

Ver­schrei­bungs­pflich­tig: ja

Ver­kauf­te Gene­ri­ka-Packun­gen: 337.000

Ipr­atro­pi­um­bro­mid

Typ: Spray gegen Atemnot

Ein­satz: ent­spannt die Atem­we­ge, wird auch bei Asth­ma eingesetzt

Ver­schrei­bungs­pflich­tig: ja

Ver­kauf­te Gene­ri­ka-Packun­gen: 111.000


Antibiotika-Spezial

War­um sind unse­re Anti­bio­ti­ka knapp?

In unse­ren Apo­the­ken sind Anti­bio­ti­ka zur Man­gel­wa­re gewor­den. Wor­an liegt das und wie lässt sich das ändern? Eine mul­ti­me­dia­le Spu­ren­su­che mit Welt­kar­te, die zeigt, wo die wich­tigs­ten Anti­bio­ti­ka der­zeit pro­du­ziert werden.

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Generika für Volkskrankheiten

Wie Gene­ri­ka Mil­lio­nen Patient:innen helfen

Ein guter Teil der deut­schen Bevöl­ke­rung lei­det unter Asth­ma, Blut­hoch­druck, Dia­be­tes oder Depres­sio­nen. Wuss­ten Sie, dass kaum jemand von ihnen ohne Gene­ri­ka behan­delt wird?

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Zitat

War­um Her­stel­ler trotz Lie­fer­eng­pass-Gesetz nicht mehr Gene­ri­ka-Wer­ke bauen

Das Lie­fer­eng­pass-Gesetz (ALBVVG) soll die Arz­nei­mit­tel-Knapp­heit been­den. Es wer­de – sagt Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lau­ter­bach – dazu füh­ren, dass Gene­ri­ka-Unter­neh­men ihre Arz­nei­mit­tel bald ver­stärkt in Euro­pa herstellen.

Doch ist das so? Wir haben Unter­neh­men gefragt, ob das Gesetz sie dazu befä­higt, ihre Pro­duk­ti­on hier­zu­lan­de aus­zu­wei­ten. Die Ant­wor­ten sind unter­schied­lich – begin­nen aber immer gleich.

„Ich baue kein Werk, weil …“

… das ALBVVG ledig­lich dafür sorgt, dass ich bei der Pro­duk­ti­on von Fie­ber­saft kein Minus mehr mache. Klar – Kin­der­arz­nei­mit­tel dür­fen jetzt 50 Pro­zent mehr kos­ten, machen aber nur ein Pro­zent der pro­du­zier­ten Arz­nei­mit­tel aus. Mit Blick auf die ande­ren Medi­ka­men­te – etwa gegen Krebs, Dia­be­tes und Herz­er­kran­kun­gen – ändert sich nichts. Wo ist da der Anreiz, ein Werk auszubauen?

Andre­as Burk­hardt, Gene­ral Mana­ger Teva Deutsch­land und Österreich

„Ich baue kein Werk, weil …“

… das ALBVVG für mich genau nichts ver­än­dert hat. Als soge­nann­ter Voll­sor­ti­men­ter haben Kin­der­arz­nei­mit­tel, Anti­bio­ti­ka und Krebs­mit­tel nur einen ver­schwin­dend gerin­gen Anteil an unse­rem Port­fo­lio. Und für alle ande­ren Medi­ka­men­te ändert sich ja nichts. Was also soll­te uns dazu brin­gen, ein Werk zu bauen?

Ingrid Blu­men­thal, Geschäfts­füh­re­rin Ali­ud Pharma

„Ich baue kein Werk, weil …“

… ich dank des ALBVVG mein Geld in Lager­platz ste­cken muss, statt in Maschi­nen oder gar Wer­ke zu inves­tie­ren. Bewer­be ich mich für einen Rabatt­ver­trag, muss ich nun­mehr einen Vor­rat von sechs Mona­ten vor­pro­du­zie­ren. Bis­lang waren es drei. Die­se Extra-Pro­duk­ti­on aber bin­det so viel Geld und Res­sour­cen, dass an eine Aus­wei­tung der Kapa­zi­tä­ten gar nicht zu den­ken ist.

Josip Mestro­vic, Geschäfts­füh­rer Zentiva 

Antibiotika-Spezial

War­um sind unse­re Anti­bio­ti­ka knapp?

In unse­ren Apo­the­ken sind Anti­bio­ti­ka zur Man­gel­wa­re gewor­den. Wor­an liegt das und wie lässt sich das ändern? Eine mul­ti­me­dia­le Spu­ren­su­che mit Welt­kar­te, die zeigt, wo die wich­tigs­ten Anti­bio­ti­ka der­zeit pro­du­ziert werden.

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Jetzt Arz­nei­mit­tel­eng­päs­se von mor­gen verhindern!

Hilft ein Früh­warn­sys­tem gegen Medi­ka­men­ten­eng­päs­se? Wir ver­ra­ten, wel­che Arz­nei­mit­tel knapp wer­den könn­ten, wor­an das liegt und wie sich gegen­steu­ern ließe. 

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Presse

BMG: Spit­zen­ge­spräch zur Ver­sor­gung mit Kin­der­arz­nei­mit­teln im BMG

Wir brau­chen mehr als eine Sym­ptom­be­hand­lung, wir brau­chen eine ech­te Therapie

Heu­te hat ein spon­tan ein­be­ru­fe­nes Gespräch im Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um (BMG) statt­ge­fun­den, bei dem es um die Ver­sor­gung mit Kin­der­arz­nei­mit­teln in der anste­hen­den Infek­ti­ons­sai­son ging. Ver­tre­ten waren auch Mit­glieds­un­ter­neh­men des Ver­ban­des Pro Generika.

Dazu sagt Andre­as Burk­hardt, Vor­stands­vor­sit­zen­der von Pro Gene­ri­ka: „Unse­re Mit­glieds­un­ter­neh­men haben ihre Kapa­zi­tä­ten bis zum tech­ni­schen Limit erhöht und pro­du­zie­ren bei Voll­aus­las­tung. Ob die Medi­ka­men­te für den Win­ter rei­chen wer­den, hängt im Wesent­li­chen von Fak­to­ren wie der Infek­ti­ons­la­ge ab.“

Mit Blick auf die Maß­nah­men, die das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um jetzt ergrei­fen will, sagt Burk­hardt: „Als aku­te Sym­ptom­be­hand­lung sind ein­zel­ne Schrit­te hilf­reich. Am Grund­pro­blem ändern sie nichts. Wenn die Poli­tik nicht end­lich die Struk­tu­ren ändert, sit­zen wir nächs­tes Jahr wie­der hier und über­le­gen, wie wir mög­lichst glimpf­lich durch den Win­ter kommen.“

 „Um mehr pro­du­zie­ren zu kön­nen, müss­ten wir drin­gend in den Aus­bau unse­rer Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten inves­tie­ren“, so Burk­hardt wei­ter. „Das aber kön­nen wir der­zeit nicht, denn es fehlt die öko­no­mi­sche Grund­la­ge. Das ALBVVG wird dar­an nichts ändern. Es schafft kei­ne Anrei­ze und berück­sich­tigt ledig­lich ein Pro­zent der Arz­nei­mit­tel. Und das obwohl die Ver­sor­gung bei Krebs‑, Dia­be­tes- und Schmerz­mit­teln nicht min­der fra­gil ist und Eng­päs­se jetzt schon abseh­bar sind.“

Für Burk­hardt ist klar: Der Dia­log mit der Poli­tik muss wei­ter­ge­hen. „Tref­fen wie die­ses machen nur Sinn, wenn sie ein Anfang sind. Es braucht einen kon­struk­ti­ven Dia­log, der zu lang­fris­tig wir­ken­den Maß­nah­men führt.”

14.09.2023

News

“Wir sind am Limit – und dar­über hinaus”

Wie in einer Pra­ger Fabrik das Schmerz­mit­tel Met­ami­zol pro­du­ziert wird

Eng­päs­se bedro­hen die Sicher­heit unse­rer Arz­nei­mit­tel­ver­sor­gung. Vie­le Her­stel­ler haben sich aus der Pro­duk­ti­on zurück­ge­zo­gen. In Prag steht eine der letz­ten euro­päi­schen Fabri­ken, in denen das Schmerz­mit­tel Met­ami­zol noch pro­du­ziert wird. Ein Besuch im Werk des Gene­ri­ka-Her­stel­lers Zentiva.

Sand. Sand könn­te die Lösung für Haus Num­mer 204 sein. Das Gebäu­de im Indus­trie­park kurz vor Prag ist eines der wich­tigs­ten im Werk von Zen­ti­va. Unun­ter­bro­chen läuft die Pro­duk­ti­on hier. Sie braucht Ener­gie, rund um die Uhr – aber das ist gera­de nicht ganz so einfach. 

Damit Ener­gie auch nachts nach­hal­tig gelie­fert wer­den kann, denkt man bei Zen­ti­va zusam­men mit Pra­ger Uni­ver­si­tä­ten über neue Ener­gie­spei­cher­sys­te­me nach. „Sand auf­zu­hei­zen, ihn als Spei­cher­me­di­um zu nut­zen, um dann die Ener­gie abzu­ge­ben, könn­te ein Mit­tel sein“, sagt Stand­ort­lei­ter Dr. André Rid­der. Die Pro­duk­ti­vi­tät lie­ße sich auf die­se Wei­se noch ein­mal stei­gern. Doch dafür braucht es noch Zeit, For­schung und vor allem: Planungssicherheit.

Mehr Leu­te müs­sen her

Solan­ge sie das nicht haben, müs­sen Rid­der und sein Team auf ande­re Wei­se ihren Out­put erhö­hen. Der­zeit arbei­ten in Prag 850 Men­schen. Bis Ende die­ses Jah­res sol­len 50 hin­zu­kom­men. Pro Met­ami­zol-Schicht sind dann 28 von ihnen im 24-Stun­den-Betrieb im Ein­satz – an sie­ben Tagen in der Woche. Eine der Auf­ga­ben für Haus 204: Die Roh­stof­fe wie­gen, aus denen das Arz­nei­mit­tel besteht, das Mil­lio­nen von Men­schen in Deutsch­land drin­gend benötigen.

Am Fließ­band: Die Met­ami­zol-Pro­duk­ti­on am Zen­ti­va-Stand­ort Prag läuft auf Hochtouren.

Die Bän­der lau­fen nonstop

Es ist hell in den Pro­duk­ti­ons­räu­men, son­nen­durch­flu­tet. Wer hier arbei­tet, trägt Mund­schutz. Denn die kleins­te Ver­un­rei­ni­gung kann bedeu­ten, dass man gesam­te Char­gen weg­wer­fen muss. Ein biss­chen sieht es hier aus wie in einem Labor. Ohne Unter­lass lau­fen die Bän­der. Maschi­nen rat­tern und es kla­ckert lei­se, wäh­rend Met­ami­zol-Fläsch­chen als ste­ti­ger Strom über die Bän­der rauschen. 

Im Lager sta­peln sich die ver­sand­fer­ti­gen Kar­tons. Dank der neu­en Mit­ar­bei­ten­den kann man hier bald noch mehr pro­du­zie­ren. Doch ob das reicht, um alle Patient:innen zu ver­sor­gen, kann nie­mand sagen. Die Gefahr von Eng­päs­sen schwebt auch über dem Werk in Prag – und ist eine Fol­ge des Kos­ten­drucks, unter dem vie­le Gene­ri­ka-Her­stel­ler produzieren.

Reicht das Met­ami­zol für alle?

Met­ami­zol ist ein Schmerz­mit­tel, das vor allem in Kran­ken­häu­sern zum Ein­satz kommt. Krebspatient:innen erhal­ten es gegen Tumor-Schmer­zen. Und zwei Drit­tel aller Patient:innen erhal­ten es nach einer Ope­ra­ti­on. Im Jahr 2022 wur­den für GKV-Ver­si­cher­te ins­ge­samt 272 Mil­lio­nen Tages­do­sen ver­ord­net – davon 82,6 Mil­lio­nen in Form von Tropfen. 

„Deutsch­land ist ein Gene­ri­ka-Markt“, sagt Josip Mestro­vic, Gene­ral Mana­ger von Zen­ti­va. „Acht von zehn Patient:innen bekom­men eine gene­ri­sche Packung ver­ord­net.“ Dabei ent­fie­len gera­de ein­mal 7,1 Pro­zent der gesam­ten Arz­nei­mit­tel­aus­ga­ben der Kran­ken­kas­sen auf die Her­stel­ler von Gene­ri­ka. „Da fehlt die Balan­ce“, so Mestro­vic. „Mit 7,1 Pro­zent der Kos­ten kann man nicht 80 Pro­zent der Bevöl­ke­rung mit Medi­ka­men­ten versorgen.“ 

Mestro­vic wun­dert es nicht, dass in den letz­ten Jah­ren immer mehr Unter­neh­men aus dem Markt aus­ge­stie­gen sind und es immer wie­der zu Ver­sor­gungs­eng­päs­sen bei Medi­ka­men­ten kommt. Zwar betont er, dass man ins­be­son­de­re die Pro­duk­ti­on von lebens­ret­ten­den Medi­ka­men­ten aus ethi­scher Ver­ant­wor­tung her­aus schwer­lich ein­stel­len kön­ne. Gleich­zei­tig macht er klar, dass man in vie­len Berei­chen schlicht nicht mehr kos­ten­de­ckend pro­du­zie­ren kön­ne. „Wir wol­len die Men­schen mit Arz­nei­mit­teln ver­sor­gen und sind dabei doch auch ein Wirt­schafts­un­ter­neh­men“, sagt Mestrovic.

Im Kampf für die Arz­nei­mit­tel­ver­sor­gung: Gene­ral Mana­ger Josip Mestro­vic im Zen­ti­va-Lager in Prag.

Wegen der gerin­gen Erstat­tungs­prei­se kauft Zen­ti­va den Wirk­stoff für Met­ami­zol längst in Chi­na ein. Dass man wei­ter­hin die Lager­hal­len mit Medi­ka­men­ten bis unters Dach bestückt hat, erklärt sich auch durch die Qua­si-Mono­pol­stel­lung des Unter­neh­mens. Bei Met­ami­zol hat Zen­ti­va in Deutsch­land einen Markt­an­teil von rund 75 Pro­zent. Außer ihnen gibt es bloß noch einen wei­te­ren Pro­du­zen­ten, der in nen­nens­wer­tem Umfang das Schmerz­mit­tel pro­du­ziert. Die ande­ren Anbie­ter haben nur win­zi­ge Markt­an­tei­le. „Für die meis­ten Her­stel­ler lohnt sich die Pro­duk­ti­on von Met­ami­zol schlicht und ergrei­fend nicht mehr“, weiß Mestrovic.

Die Prei­se sind schlicht zu niedrig

Die Grün­de dafür kennt Ulri­ke Holz­gra­be gut. Die Seni­or­pro­fes­so­rin für phar­ma­zeu­ti­sche und medi­zi­ni­sche Che­mie an der Uni Würz­burg erklärt: „Wir haben 2009 ein Arz­nei­mit­tel­ge­setz bekom­men, in dem Fest­be­trä­ge für die Kos­ten eines Gene­ri­kums fest­ge­legt wor­den sind. Die­se Beträ­ge sind seit­dem nicht erhöht wor­den, obwohl die Pro­duk­ti­ons­kos­ten immer mehr gestie­gen sind.“ 

In der Pra­xis sieht das dann so aus: Das Pra­ger Werk von Zen­ti­va pro­du­ziert rund fünf Mil­lio­nen Fla­schen an flüs­si­gem Met­ami­zol zu je 1,27 Euro pro 20-Mil­li­li­ter-Fla­sche. So hoch ist der Fest­be­trag – also das, was die Kran­ken­kas­sen dem Her­stel­ler für sein Arz­nei­mit­tel erstat­ten. Von die­sem Betrag gehen aller­dings noch Rabat­te ab, die die Her­stel­ler den Kran­ken­kas­sen gewäh­ren. So schreibt etwa die AOK als die größ­te Kran­ken­kas­se Deutsch­lands den Bedarf für den ambu­lan­ten Markt exklu­siv aus. Das heißt: Sie beauf­tragt allein das Unter­neh­men mit der Pro­duk­ti­on von Met­ami­zol, das ihr den höchs­ten Rabatt anbietet.

Was, wenn man die Aus­schrei­bung nicht gewinnt?

Ob Zen­ti­va den nächs­ten Rabatt­ver­trag ab Febru­ar 2024 mit zwei Mil­lio­nen Fla­schen gewin­nen wird, weiß der­zeit nie­mand. Und auch nicht, was man dort im Zwei­fel mit den Fla­schen macht, die bis dahin mög­li­cher­wei­se umsonst pro­du­ziert wur­den. So viel aber weiß man: Inves­tiert wer­den kann erst ein­mal gar nichts. Weder in Sand noch in neue Abfüll­ein­hei­ten, die den Out­put noch ein­mal erhö­hen könn­ten. Dazu ist der Pla­nungs­ho­ri­zont durch die Rabatt­ver­trä­ge viel zu kurz.

Als Zen­ti­va das Arz­nei­mit­tel 2005 in Deutsch­land ein­führ­te, sahen die Rah­men­be­din­gun­gen noch anders aus. Es gab noch kei­ne Rabatt­ver­trä­ge, nicht die­sen Preis­druck, von Krieg in Euro­pa, Infla­ti­on und Ener­gie­kri­se ganz zu schwei­gen. „Man muss sich nur mal vor­stel­len, was wäre, wenn es die­ses Schmerz­mit­tel nicht mehr gäbe“, sagt Mestro­vic. Die Fol­gen für die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung wären kata­stro­phal. „Man kann bei Medi­ka­men­ten nicht, wie etwa in der Bau- oder Auto­in­dus­trie, sagen: Dann kommt es halt spä­ter“, sagt Mestro­vic. Die Betrof­fe­nen brau­chen das Medi­ka­ment – wer möch­te ihnen erklä­ren, dass es gera­de Lie­fer­schwie­rig­kei­ten gibt? 

Ohne Unter­lass kla­ckern die Fla­schen, die über die Bän­der rauschen

Die Abhän­gig­keit ist riesig

Ein Pro­blem sind auch die Lie­fer­ket­ten. Ver­schie­de­ne Roh- und Ver­pa­ckungs­ma­te­ria­li­en wie bei­spiels­wei­se Alu­mi­ni­um­fo­lie wer­den knapper. 

Die Grün­de dafür kennt Wis­sen­schaft­le­rin Ulri­ke Holz­gra­be: „Wir haben nicht nur das Pro­blem, dass wir Zwi­schen­pro­duk­te und Reagen­zi­en in Chi­na kau­fen müs­sen. Wir haben eine gan­ze Men­ge an che­mi­scher Indus­trie in Deutsch­land ver­lo­ren. Die Halo­gen­che­mie bei­spiels­wei­se, die sich damit beschäf­tigt, wie man ein Flu­or- oder Chlor-Ele­ment an ein Mole­kül bekommt, machen wir hier­zu­lan­de nicht mehr, weil es die Umwelt belas­tet“, sagt Holz­gra­be. Die Pro­duk­ti­on ande­rer Sub­stan­zen sei ein­ge­stellt wor­den, weil es schlicht zu teu­er sei. Das las­se sich viel­leicht wirt­schaft­lich nach­voll­zie­hen, aber damit bege­be man sich in eine gefähr­li­che Abhän­gig­keit. Die Fol­gen, wenn es kurz­fris­tig auf­grund eines poli­ti­schen Kon­flik­tes zu einem Lie­fer­stopp käme, wären für das deut­sche Gesund­heits­sys­tem verheerend.

Pro­duk­ti­on in Euro­pa statt in Asi­en: der Zen­ti­va-Stand­ort Prag.

Nur eine Opti­on: weitermachen

Wie fra­gil das Sys­tem ist, sah man bereits in den ver­gan­ge­nen Mona­ten, als zuerst Fie­ber­säf­te für Kin­der und spä­ter Anti­bio­ti­ka knapp wur­den. Zwar nahm sich die Poli­tik des Pro­blems an und ver­ab­schie­de­te das Arz­nei­mit­tel-Lie­fer­eng­pass­be­kämp­fungs- und Ver­sor­gungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz (ALBVVG). Doch lei­der wur­den nur par­ti­ell Lösun­gen erar­bei­tet und Patient:innen, die für ihre The­ra­pie Schmerz­mit­tel – häu­fig Gene­ri­ka wie Met­ami­zol – benö­ti­gen, pro­fi­tie­ren über­haupt nicht von dem Gesetz.

Anstatt sich zu freu­en, beob­ach­tet Zen­ti­va-Chef Josip Mestro­vic sei­ne stei­gen­den Markt­an­tei­le mit gro­ßer Sor­ge. „Das ist kein gutes Zei­chen für Deutsch­land“, sagt er. Denn die letz­ten ver­blie­be­nen Unter­neh­men könn­ten nicht die gesamt­deut­sche Bevöl­ke­rung mit Arz­nei­mit­teln ver­sor­gen – egal wie vie­le neue Mit­ar­bei­ter gefun­den wer­den, egal in wie viel neue Tech­no­lo­gie trotz der unsi­che­ren Lage inves­tiert wer­den kann, und egal ob Sand in naher Zukunft Ener­gie spei­chern kann oder nicht. 

Im Haus Num­mer 204 stellt Mestro­vic eine Fra­ge, die er zugleich selbst – mit ruhi­ger, aber war­nen­der Stim­me – beant­wor­tet. „Kön­nen wir Arz­nei­mit­tel­si­cher­heit in den nächs­ten fünf Jah­ren gewähr­leis­ten? Wir tun alles dafür, aber ich wür­de mei­ne Hand – Stand heu­te – dafür nicht ins Feu­er legen.“

Jetzt Arz­nei­mit­tel­eng­päs­se von mor­gen verhindern!

Wie ein Früh­warn­sys­tem Eng­päs­se nicht nur erken­nen – son­dern ihnen auch vor­beu­gen kann

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Wel­che Instru­men­te Gene­ri­ka-Prei­se im Kel­ler halten

Für Gene­ri­ka gibt es vie­le Preis­brem­sen. Für eini­ge sogar meh­re­re auf einmal. 

Mehr als jedes zwei­te Gene­ri­kum ist sowohl unter Fest­be­trag also auch unter Rabattvertrag

Für jedes zwei­te Gene­ri­kum gel­ten min­des­tens zwei Preisbremsen

Rabatt­ver­trä­ge, Fest­be­trä­ge, Preis­mo­ra­to­ri­um: Unser Gesund­heits­sys­tem hält diver­se Instru­men­te bereit, die Gene­ri­ka-Prei­se im Kel­ler hal­ten und eine Anhe­bung unmög­lich machen. Vie­le davon über­schnei­den sich. So gel­ten für 51,7 Pro­zent der Gene­ri­ka*, deren Preis durch einen Fest­be­trag bereits fixiert ist, zusätz­lich Rabattverträge.

Dich­tes Netz aus Preissenkungs-Instrumenten

Haupt­sa­che bil­lig – so lau­tet die gesund­heits­po­li­ti­sche Vor­ga­be seit Jah­ren, wenn es um die Ver­sor­gung mit Gene­ri­ka geht. Die­se machen knapp 80 Pro­zent der Arz­nei­mit­tel aus, ver­an­schla­gen aber bloß sie­ben Pro­zent der Sum­me, die die Kran­ken­kas­sen an phar­ma­zeu­ti­sche Unter­neh­men abgeben.

Um die Prei­se nied­rig zu hal­ten, gibt es u.a. die­se gesund­heits­po­li­ti­schen Instrumente:

Fest­be­trag: Das ist der Höchst­preis, den die Kran­ken­kas­sen für ein bestimm­tes Arz­nei­mit­tel erstat­ten. Erhö­hen die Her­stel­ler die Prei­se über den Fest­be­trag, müs­sen die Patient:innen die Dif­fe­renz bezahlen.

Rabatt­ver­trag:  Ihn schlie­ßen die Kran­ken­kas­sen oft mit bloß ein bis drei Her­stel­lern ab. Dabei erhal­ten der oder die Anbie­ter den Zuschlag, die den güns­tigs­ten Preis bie­ten. Die Höhe die­ser Rabat­te ist geheim. Jens Baas, Chef der Tech­ni­ker Kran­ken­kas­se, aber gab sie in einem Inter­view mit der FAZ zuletzt mit 90 Pro­zent an. Rabatt­ver­trä­ge lau­fen über zwei Jah­re. Setzt ein Her­stel­ler wäh­rend die­ser Zeit­span­ne sei­nen Preis hoch, muss er die Dif­fe­renz an die Kran­ken­kas­sen abführen.

Preis­mo­ra­to­ri­um: Es friert den Preis der­je­ni­gen Gene­ri­ka, die nicht von einem Fest­be­trag erfasst sind, auf dem Niveau von 2009 ein. Das Preis­mo­ra­to­ri­um gilt für alle Arz­nei­mit­tel, die kei­nen Fest­be­trag (mehr) haben.

Poli­tik muss alle Instru­men­te im Blick haben – sonst ver­puf­fen Effekte

Der Kos­ten­druck auf Gene­ri­ka hat die Ver­sor­gung desta­bi­li­siert. Das hat die Poli­tik jetzt ver­stan­den – und will im ALBVVG Fest­be­trä­ge für bestimm­te eng­pass­ge­fähr­de­te Arz­nei­mit­tel erhö­hen. Die­se Erhö­hung aber kommt bei den Her­stel­lern nicht an – da Rabatt­ver­trä­ge etwa wei­ter exis­tie­ren bzw. das Preis­mo­ra­to­ri­um auto­ma­tisch greift.

Dazu sagt Bork Brett­hau­er, Geschäfts­füh­rer von Pro Gene­ri­ka: „Will die Poli­tik Anrei­ze set­zen, eng­pass­ge­fähr­de­te Arz­nei­mit­tel zu pro­du­zie­ren, reicht es nicht, ein ein­zi­ges Preis­sen­kungs-Instru­ment aus­zu­set­zen – es müs­sen alle sein. Ansons­ten ver­puf­fen Maß­nah­men, die eigent­lich gut gemeint sind und der Kos­ten­druck bleibt, wie er ist. Am Pro­blem der Eng­päs­se kann sich dann aber auch nichts ändern.“

Alle Preis­sen­kungs-Instru­men­te auf einen Blick haben wir hier aus­führ­lich erklärt.

* Basis ABDA­TA Stand 15.03.2023, ohne Altoriginale

März 2023

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Trotz ALBVVG: Bald wie­der Eng­päs­se bei Tamoxifen?

Mit dem Gesetz ALBVVG will das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um die Ver­sor­gung mit Krebs-Medi­ka­men­ten verbessern. 

Lie­fer­eng­päs­se bei Tam­oxi­fen wird es aber nicht verhindern.

Ein Jahr ist es her, dass das Brust­krebs­mit­tel Tam­oxi­fen in Deutsch­land knapp wur­de. Nun hat das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um ein Gesetz vor­ge­legt, das Lie­fer­eng­päs­se bekämp­fen soll. Doch die­sen Anspruch erfüllt es nicht. Für die Ver­sor­gung der Tamoxifen-Patient:innen ist der Effekt des Geset­zes gleich Null.

  • IM GESETZ STEHT: Es gibt Maß­nah­men, die aus­drück­lich Onko­lo­gi­ka wie Tam­oxi­fen in den Blick neh­men. Damit Lie­fer­ket­ten diver­si­fi­zier­ter wer­den, soll fort­an in den Aus­schrei­bun­gen immer auch ein euro­päi­scher Her­stel­ler zum Zuge kommen. 

FÜR DIE VER­SOR­UNG BEDEU­TET DAS: Nichts. Die ver­blie­be­nen Tam­oxi­fen-Her­stel­ler wie auch die Zulie­fe­rer stam­men bereits über­wie­gend aus Euro­pa.

  • IM GESETZ STEHT: Prei­se für ver­sor­gungs­kri­ti­sche Arz­nei­mit­tel wie Tam­oxi­fen sol­len um 50 % erhöht wer­den kön­nen – sofern es eine Emp­feh­lung des BfArM ans Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um und eine Abstim­mung mit dem GKV-Spit­zen­ver­band gibt.

FÜR DIE VER­SOR­GUNG BEDEU­TET DAS: Nichts. Denn die­se Preis­er­hö­hun­gen kom­men bei Tam­oxi­fen-Her­stel­lern über­haupt nicht an. In den unver­än­dert gül­ti­gen Rabatt­ver­trä­gen, die die Her­stel­ler mit den Kran­ken­kas­sen abge­schlos­sen haben, ist näm­lich fest­ge­legt, dass die Dif­fe­renz zwi­schen altem und neu­em Preis direkt an die Kran­ken­kas­sen abzu­füh­ren ist. Anders als bei den Kin­der­arz­nei­mit­teln sieht der Gesetz­ent­wurf zudem auch kei­ne kom­plet­te Auf­he­bung der Fest­be­trä­ge vor.

Kei­ne Ent­las­tung für Tamoxifen-Hersteller

Bork Brett­hau­er, Geschäfts­füh­rer von Pro Gene­ri­ka, for­dert eine Anpas­sung des Geset­zes­ent­wurfs: „Will das Gesetz die Her­stel­ler ent­las­ten, muss es kon­se­quent vor­ge­hen. Preis­er­hö­hun­gen brin­gen nichts, wenn das Geld bei den Kas­sen und nicht bei den Her­stel­lern lan­det. Die Pro­duk­ti­on von Arz­nei­mit­teln muss wie­der wirt­schaft­lich wer­den, sonst kön­nen Her­stel­ler nicht in den Aus­bau ihrer Pro­duk­ti­on investieren.“

Die letz­ten zwei Her­stel­ler pro­du­zie­ren für 8 Cent pro Pille

Im Febru­ar 2022 war es zum Bei­na­he-Ver­sor­gungs­eng­pass bei Tam­oxi­fen gekom­men. Damals waren fünf Her­stel­ler auf dem Markt gewe­sen. Jetzt sind es nur noch zwei – alle ande­ren haben die Pro­duk­ti­on ein­ge­stellt. Hex­al hat inzwi­schen einen Markt­an­teil von 80 Pro­zent und pro­du­ziert – dar­an hat sich nichts geän­dert – für gut 8 Cent pro Tablet­te.

Dazu sagt Tho­mas Weigold, Geschäfts­füh­rer von Hex­al: „Wir haben im Jahr 2022 eine zusätz­li­che Son­der­pro­duk­ti­on von Tam­oxi­fen ein­ge­lei­tet, um außer­or­dent­lich 20 Mil­lio­nen Tages­do­sen Tam­oxi­fen zu pro­du­zie­ren. Wir sehen uns in der Ver­ant­wor­tung, das für die Gesell­schaft zu tun. Aber vom wirt­schaft­li­chen Gesichts­punkt aus­ge­se­hen, kön­nen wir sol­che außer­ge­wöhn­li­chen Pro­duk­tio­nen bei den jet­zi­gen Prei­sen lang­fris­tig nicht gewähr­leis­ten.“

Febru­ar 2023

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Was bringt die Preis­er­hö­hung für Kinderarzneimittel?

Drei Mona­te lang dür­fen Fie­ber­saft & Co. teu­rer wer­den. So hat es der GKV-Spit­zen­ver­band ver­fügt um das 

Eng­pass-Pro­blem zu bekämp­fen. Aber wo sol­len die­se Arz­nei­mit­tel herkommen?

Auf Drän­gen des Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­ums hat der GKV-Spit­zen­ver­band kurz­fris­tig beschlos­sen, Fest­be­trä­ge für eini­ge Kin­der­arz­nei­mit­tel (ins­ge­samt 180 Gene­ri­ka) für drei Mona­te aus­zu­set­zen. So sol­len Fie­ber­saft & Co. schnell wie­der auf den Markt gelan­gen. Die Fra­ge ist jetzt: Wo sol­len die­se Medi­ka­men­te herkommen?

  • Die letz­ten ver­blie­be­nen Her­stel­ler etwa für Fie­ber­saft pro­du­zie­ren bereits rund um die Uhr. Trotz­dem kom­men sie ange­sichts der mas­siv erhöh­ten Nach­fra­ge und ste­tig abrei­ßen­der Lie­fer­ket­ten nicht hinterher.
  • Auch wenn sich die Prei­se für drei Mona­te erhö­hen: Es gibt der­zeit schlicht kei­ne Ware, die kurz­fris­tig auf den Markt gebracht wer­den könnte.
  • Was es zur Lösung des Pro­blems braucht, sind lang­fris­ti­ge Anrei­ze, damit sich wie­der mehr Unter­neh­men an der Pro­duk­ti­on von Kin­der­arz­nei­mit­teln und ande­ren Medi­ka­men­ten beteiligen. 

Es gibt ein­fach zu weni­ge Her­stel­ler für Kinderarzneimittel

„Eine Aus­set­zung der Fest­be­trä­ge für Kin­der­arz­nei­mit­tel, wie sie der GKV-Spit­zen­ver­band ver­fügt hat, ist eine Ges­te – aber sie wird das Pro­blem der Eng­päs­se kurz­fris­tig nicht lösen“, sagt Bork Brett­hau­er, Geschäfts­füh­rer von Pro Gene­ri­ka. „Denn: Woher sol­len die Fie­ber­säf­te plötz­lich kommen?“

Ein Grund für die aktu­el­len Eng­päs­se liegt neben den zuletzt hohen Infek­ti­ons­zah­len dar­in, dass es zu weni­ge Her­stel­ler gibt, die über­haupt noch Kin­der­arz­nei­mit­tel her­stel­len. Und dass die Pro­duk­ti­on für sie dau­er­haft nicht mehr wirt­schaft­lich ist, dar­an ändert auch eine vor­über­ge­hen­de Preis­er­hö­hung nichts.

Brett­hau­er: „Kurz­fris­ti­ge Maß­nah­men lösen kei­ne struk­tu­rel­len Pro­ble­me: Kein Unter­neh­men kann Pro­duk­ti­ons­stät­ten aus­bau­en, wenn nach drei Mona­ten wie­der das „Haupt­sa­che billig“-Prinzip gilt. Her­stel­ler wer­den sich erst wie­der an der Pro­duk­ti­on von Kin­der­arz­nei­mit­teln betei­li­gen, wenn sie auch per­spek­ti­visch mit aus­kömm­li­chen Prei­sen rech­nen können.“

Kos­ten­spar­in­stru­men­te dür­fen Preis­er­hö­hun­gen nicht abschmelzen

Hin­zu kommt: Preis­er­hö­hun­gen stel­len nur Anrei­ze dar, wenn sie auch bei den Unter­neh­men ankom­men. Und das tun sie nur, wenn auch ande­re, rein auf Kos­ten­sen­kung abzie­len­de Rege­lun­gen wie Rabatt­ver­trä­ge, Gene­ri­ka­ra­bat­te oder 4‑G-Regel, aus­ge­setzt werden.

Mit Blick auf das vom Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um geplan­te Gesetz, das die Eng­päs­se bekämp­fen soll, sagt Brett­hau­er: „Die Inten­ti­on des Geset­zes ist rich­tig. Die Poli­tik hat ver­stan­den, dass der jah­re­lan­ge Kos­ten­druck die Eng­päs­se her­bei­ge­führt hat. Jetzt aber kommt es auf die rich­ti­ge Lösung an – und die darf nicht aus gut gemein­ten, aber unwirk­sa­men Adhoc-Maß­nah­men bestehen.“

Die wich­tigs­ten Fra­gen zu den aktu­el­len Arz­nei­mit­t­eng­päs­sen haben wir hier beantwortet.

Janu­ar 2023

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Nur noch zwei Her­stel­ler für Tam­oxi­fen am Markt

Vor kur­zem bang­ten Patient:innen um Tam­oxi­fen. Ursa­che für den Eng­pass war unter ande­rem, dass nur noch 

weni­ge Her­stel­ler das Brust­krebs­mit­tel pro­du­zier­ten. Jetzt sind es noch weni­ger gewor­den: Nur noch zwei Unter­neh­men produzieren

Anfang des Jah­res bang­ten Brustkrebspatient:innen um Tam­oxi­fen – ein alter­na­tiv­lo­ses Mit­tel, das seit Jahr­zehn­ten ein­ge­setzt wird. Ursa­che für den Eng­pass war unter ande­rem, dass nur noch weni­ge Her­stel­ler das Arz­nei­mit­tel pro­du­zier­ten. Jetzt sind es noch weni­ger: Bloß noch zwei Her­stel­ler ver­sor­gen die Patient:innen in Deutsch­land mit Tam­oxi­fen.

Der Grund, dass sich so vie­le Her­stel­ler aus der Pro­duk­ti­on zurück­ge­zo­gen haben, ist der unver­än­dert nied­ri­ge Erstattungspreis.

  • Seit zwölf Jah­ren gilt bei­na­he der­sel­be Fest­be­trag, Her­stel­ler erhal­ten für die Drei­mo­nats­pa­ckung Tam­oxi­fen nur gut 8,80 Euro von den Kran­ken­kas­sen.
  • Seit dem Früh­ling haben wei­te­re Her­stel­ler die Pro­duk­ti­on ein­ge­stellt. Eines davon trägt die Haupt­last – es hat einen Markt­an­teil von vier Fünfteln.

Eng­pass bei Tam­oxi­fen war Fol­ge einer dra­ma­ti­schen Marktkonzentration

Zum Eng­pass bei Tam­oxi­fen kam es, weil eini­ge Zulie­fe­rer ihre Prei­se so weit erhöht hat­ten, dass die Gene­rik­aun­ter­neh­men nicht mehr zum Erstat­tungs­preis hät­ten pro­du­zie­ren kön­nen und sich des­halb neue Zulie­fe­rer suchen muss­ten. Die Her­stel­ler, die das betraf, konn­ten vor­über­ge­hend nicht mehr lie­fern. Die ande­ren wur­den sofort leer­ge­kauft. Das BMG erlaub­te die Ein­fuhr von Tam­oxi­fen-Tablet­ten, ein Unter­neh­men schob eine Son­der­pro­duk­ti­on ein. Das ret­te­te Deutsch­land vor dem Ver­sor­gungs­eng­pass – doch an den Struk­tu­ren ändert es nichts.

Ver­sor­gung wur­de gesi­chert – die Struk­tu­ren sind die gleichen

Im Gegen­teil: Der­zeit sind noch weni­ger Her­stel­ler am Markt als vor der Knapp­heit im Früh­ling. Von ehe­mals vier sind bloß noch zwei übrig. Und davon stemmt eins mehr als vier Fünf­tel der Versorgung.

Poli­tik muss Wirk­stof­fe wie Tam­oxi­fen retten

„Der Eng­pass beim Brust­krebs­mit­tel Tam­oxi­fen konn­te abge­wen­det wer­den, aber das Pro­blem hat sich nicht gelöst. Im Gegen­teil: Die Situa­ti­on am Markt ist noch ver­schärf­ter. Es gibt noch weni­ger Unter­neh­men als vor­her, die die Ver­sor­gung sichern. Wenn die Poli­tik jetzt mit dem Gene­ri­ka-Gesetz die Arz­nei­mit­tel­ver­sor­gung stär­ken will, muss sie zuerst bei ver­sor­gungs­kri­ti­schen Wirk­stof­fen wie Tam­oxi­fen anset­zen. Hier braucht es drin­gend Anrei­ze, damit sich wie­der mehr Unter­neh­men an der Ver­sor­gung betei­li­gen – sonst ist es nur eine Fra­ge der Zeit, bis der nächs­te Eng­pass eintritt.“

Die wich­tigs­ten Fra­gen zu den aktu­el­len Arz­nei­mit­t­eng­päs­sen haben wir hier beantwortet.

Dezem­ber 2022

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